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Donnerstag, 16. Juni 2011

History Blog #15

Die Reihe "History Blog" besteht aus Kopien aus meinem eigentlichen und aktuellen Blog, in dem ich alles raus lasse. Die Blogs, die von dort hier herüber wandern, drehen sich ausschließlich im weitesten Sinne um das Studium und sollen einen Einblick auf mein Leben bis zum Studienabschluss an der Hochschule Darmstadt vermitteln.

Bis ich die Gegenwart erreiche wird hier täglich ein History Blogs neu veröffentlicht.


Erstveröffentlichung: Freitag, 26. September 2008 - 00:40



Ursprünglicher Blogtitel: "Real und ohne Überschrift



Während der Rückfahrt musste ich die meiste Zeit lächeln. Aber der Reihe nach:

Da ich die Einladung zu Jans Geburtstag leider nicht wahrnehmen konnte, weil ich meinen Mietvertrag unterschreiben musste hatte ich zugesagt vor meinem Umzug noch einmal bei ihm rumzuschauen. Kurz vor knapp, wie immer bei mir, setzte ich das heute in die Tat um.

Es begann schon seltsam, als ich mit dem Bus zwei Orte weiter fuhr. Wie lang ist es her, dass ich diese Strecke mit dem Bus fuhr? Der Blick aus dem Fenster war sehr vertraut und doch so unendlich viele Jahre weit weg; die Gemeinde im herbstlichen Dunkel, ein Anblick der beruhigend und aufgrund der fehlenden Fahrradwegbeleuchtung ein wenig bedrückend zugleich wirkt. Aber dennoch, es hat was.

Bei der Bank organisierte ich noch ein wenig Geld für morgen und wie schon allzu oft frage ich mich einfach wer im Hause der Sparkasse auf die Idee kam bei der Eingabe von 50 Euro am Automaten lediglich einen einzigen Schein heraus zu geben. Der Fahrkartenautomat nimmt derlei Noten nicht an, wenn die Fahrkosten unter 20 Euro liegen, und eine Flasche Wasser oder eine Schachtel Zigaretten mit einem 50-Euro-Schein bezahlen kommt auch seltsam, meiner Meinung nach.

"Haben Sie es nicht noch ein wenig größer?" - Doch, aber ich will Sie nicht neidisch machen.

Der Abend brachte keine riesigen Neuerungen, wir unterhielten uns ein wenig über dies, ein wenig über das, kurze Gedanken an eine Sylt-(Revival-)Tour nächstes Jahr und kamen dann auch in Richtung Arbeit. Kleine Geschichten von ihm, kleine Geschichten aus meiner Ausbildung, im Handwerk hat man so manch witzige Geschichte erlebt.

Was an Jan allerdings bewundernswert ist ist die Tatsache, dass er sich nicht wirklich beschwert.

Jan gehört bestimmt nicht zur Bildungselite und benutzt Fremdworte im falschen Kontext oder spricht sie falsch aus, weil er es einfach nicht besser weiß, aber er ist einer dieser Menschen, die meine Bewunderung verdienen.

Er geht einfach zur Arbeit und auch wenn sie nicht der Traum seines Lebens ist macht er sie. Und er macht sie gut. Er sieht was an Arbeit anfällt und was getan werden muss und weiß das dann auch umzusetzen.

Gelernt hat Jan, nachdem er nach der neunten Klasse die Hauptschule verlassen hat, bei einer Dachdeckerei hier bei uns im Ort. Die typische Sache eben in ländlicher Gegend. Oder?

Nach der Ausbildung wurde er zwar im Betrieb übernommen, doch nach relativ kurzem Gesellendasein wurde er aufgrund von Auftragsmangel gekündigt.

Auch das ist eine dieser typischen Sachen in ländlicher Gegend, leider.

Klar, das Leben als Arbeitsloser auch und selbstverständlich wusste er die Zeit auch zu nutzen, aber ihm stand irgendwie nie der Sinn danach sich darauf auszuruhen.

Nach einiger Zeit konnte er wieder als Dachdecker arbeiten, was allerdings auch hier nicht von langer Dauer war, da es Dachdeckereien im Winter bekanntlich nicht unbedingt so gut geht.

Letzten Endes landete er auch bei einer Zeitarbeitsfirma, wie ein Großteil der deutschen Handwerker.

In jeder Firma, in der er eingesetzt wurde hat er es bisher zu einem, für einen Leiharbeiter, besonderen Status gebracht, einfach weil er wirklich arbeiten will. Und eben genau das finde ich so bewundernswert. Egal wofür er eingesetzt wird, er sieht die Arbeit, er erledigt die Arbeit und er hängt sich in das rein, was er tut.

So hat er es mittlerweile auch zu einer Festanstellung in einem Betrieb gebracht, in dem er von der Zeitarbeitsfirma eingesetzt wurde.

Ich meine, dass es wirklich nicht jedem gegeben ist einen Beruf zu lernen, an dem man Spaß hat und den man beherrscht und in einem ganz anderen ebenso aufgeht und sich in der Firma wirklich gut macht.

Die Verabschiedung musste dann doch recht schnell vonstatten gehen, da ich auf den letuten verkehrenden Bus angewiesen war, doch er sicherte mir einen Besuch zu, wahrscheinlich noch in diesem Jahr.

Auf dem Weg zur Bushaltestelle bekam ich einen Ohrwurm, den ich mir nicht erklären kann. Klar, "mein letzter Tag" und so, "letzte Bahn" assoziiert mit dem letzten Bus an diesem Abend, aber ansonsten ist das Lied eher traurig, meine Stimmung war / ist allerdings sehr positiv.

Was ich in der letzten Zeit feststellte ist einfach, dass ich zwar nicht unbedingt "aktiver" werden mag und mich der Gedanke einfach loszugehen zum Feiern oder so weiterhin abschrecken wird, aber es doch ein gutes Gefühl ist zu wissen, was ich hier, zuhause, hatte und auch weiterhin haben werde.

Der Freundeskreis von damals hat sich weiter- und auseinanderentwickelt, aber wir sind noch immer da. Miteinander, füreinander. Alles ändert sich, nachdem Dennis erst in Leipzig studierte und nun mit Chris nach Köln gezogen ist werde ich nun auch von hier weg gehen, für eine lange Zeit, vielleicht für immer, das weiß niemand. Auch Jan scheuht sich nicht vor dem Gedanken eine Firmeninterne Stelle weit außerhalb Hannovers anzunehmen und Matze, der bereits nach einem Jahr im Berufsleben stellvertrender Filialleiter einer Bank ist und gerade mit den ersten Anzeichen von Überarbeitung kämpft - obwohl er das nicht wahrhaben mag - wird nicht ewig hier sitzen, aber irgendwie bleiben wir doch hier.

Yvonne traf es sehr gut als sie kürzlich schrieb: man findet in der Gerne keine zweite Heimat. Aber "zuhause" ist da wo das Herz ist.

Warum ich nun lächeln musste? Der Grund war, neben dem angenehmen Abend, der Busfahrer. In erster Linie die Situation beim Einsteigen, als er mich sehr höflich und beinahe freundschaftlich fragte, wohin ich denn wollen würde und seine übertrieben gespielte Enttäuschung, als ihm bewusst wurde, dass er den Schlenker über den Bahnhof doch fahren müsse.

Direkt im Anschluss daran überlegte ich, wie ich diese witzige Situation in einen Blog verfassen könnte und dachte darüber nach, wie ich ihn beschreiben könnte. Mein erster Gedanke: "Der junge Südländer ist kaum älter als ich...".

Ich denke, dass mich das ein wenig zum Lächeln brachte... Ich bin schon 25 und obwohl ich solche Menschen früher immer als so erwachsen angesehen habe fühl ich mich noch wie 20... Faszinierend.

:victory:

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