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Dienstag, 11. Oktober 2011

History Blog #117

Die Reihe "History Blog" besteht aus Kopien aus meinem eigentlichen und aktuellen Blog, in dem ich alles raus lasse. Die Blogs, die von dort hier herüber wandern, drehen sich ausschließlich im weitesten Sinne um das Studium und sollen einen Einblick auf mein Leben bis zum Studienabschluss an der Hochschule Darmstadt vermitteln.

Bis ich die Gegenwart erreiche wird hier täglich ein History Blogs neu veröffentlicht.



Erstveröffentlichung: Freitag, 18. Juni 2010 - 16:42


Ursprünglicher Blogtitel: "Es gibt Leute..." 



Heute trat ich die Heimfahrt eher an als erwartet, denn die Vorlesung wurde WM-technisch optimiert. Nicht unbedingt das, was ich mir erwünscht habe, denn dafür darf ich kommenden Freitag bis um sechs in dem Laden hocken, aber der Großteil der Leute wollte heute das Deutschlandspiel schauen (was man sich sicherlich hätte sparen können). Doof nur, dass von den sonst 50 Leuten trotzdem gerademal 20 da waren...

Egal, somit konnte ich wenigstens Frutty und Yvonne noch ein wenig auf die Nerven gehen, bevor sie aufgebrochen sind.

Die Busfahrt: heute fuhr die einzige weibliche Busfahrerin, die ich auf dieser Route je gesehen habe. Normalerweise fährt sie wirklich sehr angenehm, sie kennt angemessene Bremswege und hat nicht den Fuß permanent auf Gas oder Bremse. Soweit also okay.

Am Luisenplatz angekommen steigen die Leute ein, sie schließt die Tür und fährt im Schritttempo an. Aus der Menschenmenge kommt noch jemand angerannt, der den Bus gern noch erwischen wollte. Dieser Jemand ist der Fahrerin bekann, das weiß ich mit vollkommener Sicherheit, denn er ist körperlich und geistig "beeinträchtigt" - wie es wohl heißt - und spricht dementsprechend gern mit allen Leuten, die er häufiger als ein Mal gesehen hat. So auch des öfteren mit dieser Fahrerin.

Wie dem auch sei, sie schleicht die Kurve entlang, der Herr rennt zur vorderen Tür und winkt wie irre. Sie sieht ihn. Er winkt weiter. Sie sieht ihn an. Er wedelt mit Armen und Beinen und klopft leicht an die Tür, sie aber schaut ihn nur an, fährt mit unvermindertem Schritttempo weiter und schüttelt nur den Kopf.

Fand ich schon krass.

Vorne bei ihr stand ein Junge, der für mich einen ähnlich beeinträchtigen Eindruck macht, aber seine anhängliche Art kann auch einfach an seinem Alter liegen. Er redet immer die ganze Fahrt über mit ihr und steht dort. Sie sagt einige Sätze zu ihm, die allerdings unter Rise Against in meinen Ohren untergehen. Er nickt fleißig, meine Vermutung ist, dass es darum geht, warum sie den Herren hat stehen lassen.



Im von hier aus nächstgelegenen Dorf ist wegen dem WM-Spiel eine Umleitung, daher fährt der Bus eine komische Strecke mit doof gelegenen Ersatzhaltestellen. Weiß man nicht unbedingt, bevor man aus dem Hause geht.

So erging es wohl auch dem Jugendlichen, der dem Bus entgegen kam, als wir von der Nebenstraße wieder auf die eigentliche Fahrroute einbiegen wollten.

Er schien überrascht, wechselte aber die Straßenseite und gab der Fahrerin höflich zu verstehen, dass er noch zusteigen wolle. Sie schüttelt den Kopf. Sein Gesichtsausdruck sichtlich enttäuscht, nahezu leidend, sie verneint weiter. Vor dem Bus rangiert ein LKW und die Fahrerin muss den Wagen stoppen, der Jugendliche steht direkt neben der vorderen Tür und macht wirklich nicht unhöfliche Gesten. Frau Busfahrer schüttelt den Kopf und gestikuliert wild in seine Richtung, sagt/brüllt wohl auch irgendwas, was aber bei mir weiterhin unter der Musik auf meinen Gehörgängen untergeht. Die Aussage dahinter würde ich jedoch eindeutig als "hier ist keine Halestelle, die ist heute da oben - Pech gehabt" einstufen würde.

"Zivilcourage" hört man heut an jeder Ecke und nachdem ich schon in der City meine Backen gehalten habe wurde es mir hier zu bunt. Ich zieh die Stöpsel aus dem Kopf und sage - zwar mit erhobener Stimme, damit sie mich auch hört und versteht, dennoch in höflichem und versönlichem Tonfall:

"Aber wir stehen doch sowieso gerade. Könnten Sie nicht vielleicht kurz die Tür öffnen und den jungen Mann einsteigen lassen?"

Mal ehrlich, klingt das frech? Oder dreist? Oder in irgendeiner anderen Art und Weise angreifend? Ihre Reaktion:

"Das kannst du mal schön mir überlassen." - Sie steigert die Lautstärke und stimmt einen wirklich sehr brachialen Tonfall an. - "Und solche dummen Kommentare kannst du dir gefälligst sparen!"

Ich habe selten Lust auf Streit, aber als ich Yvonne und Frutty die Geschichte erzählte bekam ich Gänsehaut vor Aufregung. Ich kann mich nicht erinnern, der Dame das Du angeboten zu haben. Ich kann mich auch nicht erinnern ihr jemals zu nahe getreten zu sein, dass sie einen grundsätzlichen Hass auf mich verspürt und erst recht nicht, dass mein Tonfall diese Reaktion rechtfertigt.

Ich sagte nur noch dazu, dass ich ja lediglich gefragt hätte und man so etwas auch höflicher sagen könne. Ich wolle ja auch nicht, dass mir jemand in meinen Job reinredet, aber fragen wäre doch wohl erlaubt.

Wutschgeschnaube vom Fahrersitz und gemurmeltes Gehetze zu dem Kind, das noch immer neben ihr stand.

Den Rest der Fahrt verbrachte ich ohne Musik und halbwegs in meine Gedanken versunken. Ich bin es nicht gewohnt, dass man mich ohne Grund so dermaßen ankackt. Schon gar nicht von Fremden. Und schon gar nicht von einem Dienstleister!

Klar, "Dienstleistung" kommt von "dienen" und "leisten", was nicht unbedingt jeder gern tut (weder das eine noch das andere), aber das...?

Die ältere Dame vor mir dreht sich um und sagt ganz entgeistert zu mir, dass es wirklich unhöfliche Leute gibt. Alles was mir über die Lippen kommt ist ein deutlich hörbares "unglaublich", so entsetzt bin ich davon.

Eine Minute später dreht sich ein weiterer Herr um und erklärt mir etwas von Versicherung und einem Bekannten von ihm, der in einem solchen Fall - und sollte etwas geschehen - die Kosten selbst tragen müsse und das Unternehmen nichts davon übernimmt.

Mag sein. Kein Problem, das ist wirklich ärgerlich, sag ich ja gar nichts gegen. Aber ist das eine Art mit der man mit Kunden redet? Auch wenn ich nicht jeden Mont 70 Euro für eine Fahrkarte zahlen muss sondern nur ein Mal pro Semester 150 Euro bleche kann ich doch - wenn schon nicht als Kunde, dann wenigstens als Mensch - ein wenig Respekt vor meiner Person erwarte. Egal ob sie nun einen schlechten Tag hat oder doppelt so alt ist wie ich.

Aber kommen wir mal zurück zum Thema Versicherung: wie sieht das denn bei ihren Kollegen aus, die fahren wie die letzten Henker? Mit Vollgas anfahren, dass die Omis aus den Sitzen kippen. Volle Lotte auf die Ampel zu, auch wenn sie bereits gelb zeigt und man es erst nach über einer Sekunde rot-Zeit auf die Kreuzung schaffen wird (und definitiv genug Zeit zum Anhalten war). Immer jede Sekunde Höchstgeschwindigkeit ausnutzen und erst kurz vor der Haltestelle in die Eisen steigen, dass sogar ich mich kaum auf den Beinen halten kann. SMS schreiben und telefonieren beim Fahren. Sich blind auf das ABS im Winter verlassen - und es auch bei jedem Bremsmanöver ordentlich ausreizen. Sicherheitsabstand ein Fremdwort. Die Hupe häufiger nutzen als das Bremspedal.

Und sie selbst? Hm, wofür ist denn bitteschön das Schild "während der Fahrt nicht mit dem Fahrer sprechen" sichtbar in jedem Fahrzeug angebracht? Aber egal wann sie fährt, irgendwen zum Klönen hat sie immer in der Nähe.

Sorry, lieber RMV, aber hier geht irgendwas gewaltig schief.

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