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Samstag, 10. Dezember 2011

History Blog #148

Die Reihe "History Blog" besteht aus Kopien aus meinem eigentlichen und aktuellen Blog, in dem ich alles raus lasse. Die Blogs, die von dort hier herüber wandern, drehen sich ausschließlich im weitesten Sinne um das Studium und sollen einen Einblick auf mein Leben bis zum Studienabschluss an der Hochschule Darmstadt vermitteln.

Bis ich die Gegenwart erreiche wird hier täglich ein History Blog neu veröffentlicht.



Erstveröffentlichung: Samstag, 30. Oktober 2010 - 14:28


Ursprünglicher Blogtitel: "Stuttgart 21 - Mal von der rechtlichen Seite" 



Wer von euch hat vor 2010 etwas vom Thema Stuttgart 21 gehört?

Ja, genau. Das ist das Problem an der ganzen Geschichte.

Ich hatte heute meine erste Vorlesung in "Öffentliches Baurecht 1". Eigentlich so gar nicht meine Welt, diese Paragraphenreiterei, aber erstens will ich möglichst alle Wahlpflichtfächer aus dem 5. und 6. Semester bereits in diesem Semester vollzählig haben, zweitens will ich möglichst wenige Klausuren in einem Ballungszeitraum schreiben sondern lieber etwas verteilt und drittens kann es ja mal nicht schaden auch ein wenig was über rechtliche Hintergründe zu wissen (und man wird sowieso dazu gehalten, nicht zum Fachidioten zu werden sondern auch etwas abzudriften). All diese Punkte kombiniert das Fach.

Als es um die Aufstellung von Bauleitplänen ging passte Stuttgart 21 natürlich gut in den Rahmen. Ich möchte hier nun einmal aus den Vorlesungsunterlagen die 13 Punkte auszugsweise abtippen:

1. Aufstellung = Beschluss, einen Bauplan aufzustellen, Beschlussfassung durch Stadtverordnetenversammlung, Gemeinderat, ortsübliche (öffentliche Bekanntmachung, § 2 Abs. 1 S. 2 BauGB.

2. Ermittlung und (erste) Bewertung des Abwägungsmaterials, " 2 Abs. 3 BauGB, insbesondere auch der Umweltbelange, § § 1 Abs. 6 Nr. 7, 1a BauGB, Erstellung des Vorentwurfs.

3. Umweltprüfung, § 2 Abs. 4 BauGB.

4. Frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit, § 3 Abs. 1 BauGB.

5. ...


Oben stehender Punkt 4 ist der, an dem es Sinn gehabt hätte in Stuttgart eine Wortmeldung verlauten zu lassen und zu sagen, dass man als großer Teil der Bevölkerung etwas dagegen hat.

Man muss dazu sagen, dass mein Prof als Anwalt für Baurecht tätig ist und dementsprechend herum horcht und deutschlandweit auf dem Laufenden ist - und nicht einmal er hatte vor diesem Jahr etwas davon gehört. Die Bauleitplanung wurde allerdings kurz nach der Jahrtausendwende abgeschlossen.

Genau das ist mit "frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit" gemeint. Wenn es soweit ist - und das ist rechtlich vorgeschrieben - dass die ersten Planungen los gehen mus bekannt gemacht werden, dass da etwas im Busche ist, der Umfang der ganzen Geschichte muss jedem zugänglich sein und jede Gegenstimme muss gehört und berücksichtigt werden. Was danach mit der Gegenstimme passiert muss man abwarten, da gibt es jeweilige Abwägungen, darum kann man das nicht pauschalisieren, aber wenigstens ist die Möglichkeit da.

Für diese Einwände sind rechtlich vier Wochen festgelegt. Eine wohl ausreichende Zeit, wenn man regelmäßig Tageszeitung liest, sich im Internet über seine Region informiert oder hin und wieder mal am Rathaus nach neuen Aushängen schaut.

Innerhalb dieser Frist wurde es gerademal geschafft, dass sich ca. 7000 Stimmen gefunden haben, die in einer Unterschriftenaktion angetreten sind. Das ist zwar schon eine gewisse Zahl, aber bei rund 2,7 Millionen Einwohnern in der Region Stuttgart ist das ein so kleiner Anteil, dass dort eher von "Belangen Einzelner" gesprochen werden kann.

Nun, also diese Frist damals wurde kurz gesagt verpennt. Bei späteren Informationsterminen für die Öffentlichkeit sah es ähnlich aus.

Rein rechtlich gesprochen ist also das was derzeit diesbezüglich in Stuttgart passiert schlicht Unrecht.

Die Kostenfrage ist eine ganz andere. Es wird von explodierenden Kosten gesprochen und da wiederum kann die zuständige Komune auch nicht einfach sagen, dass trotzdem gebaut wird. Wenn ich bei einer Bank einen Kredit über 250.000 Euro für mein Haus bekomme, hinterher aber gleich weitere 500.000 Euro brauche, weil das Ding irgendwie teurer wird als gedacht wird mir die Bank nicht einfach kopfnickend die Kohle rüber schieben sondern alles noch einmal prüfen und mich ggf. zum Teufel jagen.

Vergleichsweise sieht es auch in der Rechtsprechung aus, falls die benötigten Gelder aus den öffentlichen Kassen wirklich um einiges höher geworden sind muss neu geprüft werden. Und falls das geschieht hat der Steuerzahler eine Chance dann zu sagen: "Nö, is' einfach nich'."

Wie gesagt: dann.

Ich wollte diese Info nur einfach mal kurz in die Runde hier werfen, falls es da noch jemanden gibt, der genauso mit verschlossenen Augen durch die Welt rennt wie ich und einfach gar nicht weiß was abgeht.

Schließend möchte ich noch einen Kommentar des Profs wiedergeben, der in seinem Arbeitsleben auch oft beratend für Komunen und Firmen tätig ist und dementsprechend weiß, wovon er redet:

Wenn Sie mich nach meiner Meinung fragen... Ich schätze das Ding wird gebaut werden.

... aber mehr als ein Pils wette ich da nich drauf."

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