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Freitag, 18. Mai 2012

Einstieg in den Master - Studieren mit Kind

Wie so oft ist es schwer, die angemessenen Worte zu finden, um ein gewichtiges Thema angemessen einzuleiten. In den vergangenen Tagen gab es häufig Momente, in denen mir ein gut gewähltes Vokabular einfach versagt blieb und die Verzückung überhand nahm.

Auf unserer langen Liste der Wünsche für uns und "sie", wie es werden sollte, welche Rituale wir begehen wollen und ähnliches mehr, ist am Ende nicht viel geblieben bis auf die Gewissheit, dass es auf anderem Wege das Beste für "sie" war. Und unsere Wunden dahinter werden heilen, sehr langsam aber garantiert.




Am Mittwochmorgen, 11. April 2012 um 1:31 Uhr durfte Zelda Maria das Dunkel der Pfalz erblicken und erfreut uns seitdem Tag und Nacht mit ihren 52 cm Größe, 35,5 cm Köpfchen, 3450g, Mamas Augen und Papas Haaren. Und jetzt freuen wir uns darauf, endlich in unsere Wohnung zurück zu kommen, die Tür zu schließen und nicht mehr dem 8 bis 12 stündlichen Schichtwechsel, sondern nur unserer Freude unterlegen zu sein.

Ein Niedersachse, ein Württemberger und ein Pfälzer fahren heim nach Hessen. 


- Sonntag, 15. April 2012, 6:48 Uhr -


Ja, und so kam es dann auch. Ich schreibe diesen Blog am 29. April um ca. 5:00 Uhr morgens, werde ihn aber bekanntlich später veröffentlichen lassen. Diese planbare Veröffentlichung ist schon cool. Wenn man nun auch mitteleuropäische Zeit wählen könnte und nicht bedenken müsste, dass es nach Google-Zeitrechnung erst der 28.4. um 20:00 Uhr ist.

Also.

Die Geschichte der Geburt und allem Drumherum, was schief lief und "improvisiert" werden musste, ist lang und nicht so leicht und fällt wohl eher in die Kategorie "p.P.". Jeder Arzt hat uns angeschaut, als ob wir Aliens wären, wenn wir erneut betonten, wie sehr uns die Situation mitnimmt. Nein, nicht ganz, von Ärzten haben wir allgemein wenig gesehen, es waren mehr einige wenige Schwestern und Hebammen der Asklepios Klinik (siehe "Standort"). Dennoch kann ich diese Klinik nur wärmstens für jede Geburt empfehlen. Die 1x0 km Anreise aus Darmstadt für uns haben sich gelohnt und unsere Interessen, denen wir aufgrund eines deutlich übertragenen Kindes nicht wie gewünscht im Geburtshaus Osan in Seeheim-Jugenheim nachgehen konnten, wurden hier eindeutig bestmöglich vertreten.

Wichtig ist, dass wir an besagtem 15. April 2012 endlich gesund heim kamen, mit unserer Maus unter dem Arm, in unsere "Studentenwohnung" (die mit ihren über 100 m², 4-Zimmer-Küche-Bad-Balkon-Keller-Garagenanteil und der Ausstattung nicht wirklich an eine Studentenwohnung erinnern mag) und damit begannen, die Welt aus ganz neuen Augen zu sehen.

Es mag kitschig oder gar theatralisch wirken, doch diejenigen unter euch mit Kindern werden das Gefühl nachvollziehen können. Es ist eine neue Welt, es ist ein ganz anderes Leben, und - ja - wenn du zwischen zwei Stillzeiten den Blick durch die Wohnung schweifen lässt und dich dabei "an die Zeit davor" erinnerst, kann es sehr gut vorkommen, dass du einen einzigen, riesengroßen Scherbenhaufen siehst.

Das ist normal.

Und das wird vergehen, auch wenn man es sich nicht vorstellen kann oder diese ewig gleichen alles-wird-gut-Floskeln nicht mehr hören kann.

Wie unsere Elke so schön sagte: die ersten drei Tage sind schrecklich, die ersten drei Wochen sind anstrengend, nach den ersten drei Monaten fängt es an Spaß zu machen. Eine Hebamme in der Klinik formulierte ähnliches: diese Friede-Freude-Eierkuchen Geschichten in denen besonders am Anfang alles rosa ist, von denen man erzählt bekommt, sind Bullshit. Die schönen Momente sind am Anfang nicht da, man muss sie suchen und viel dafür aushalten.

Erst gestern fragte mich ein alter Freund, ob mir das Vatersein schon Freude bereite und wie es um meinen Schlaf bestellt sei. Natürlich antwortete ich, dass alles rosa ist... Das stimmt auch irgendwie. Wenn Madamme drei Stunden auf dem Sofa geschlafen hat fühlt sich sogar eine volle Windel und Hungergeschrei irgendwie quietsch-pink und toll an. Man vergisst zu gern und zu schnell, dass es auch schier endlose, kack-braune und schwarze Stunden gibt.

... lächeln und winken.

Am schlimmsten waren allerdings die Tage in der Klinik, wenn alle 8 - 12 Stunden ein Schichtwechsel da war und jede Schwester eine andere Philosophie verfolgt (muss ja nichts schlechtes sein) und man zusätzlich zu seiner eigenen Hilflosigkeit auch noch in völlig fremder Umgebung ist.

Über meinen Schlaf kann ich mich kaum beklagen. Mittlerweile ;)

Auch wenn das meiste unserer Tagesabläufe eher improvisiert ist stellt sich dahinter langsam eine gewisse Regelmäßigkeit ein, die man kaum als solches erkennt, aber unbewusst dennoch auslebt. Kleinigkeiten sind bereits planbar.

Mein Vortrag, und somit der Abschluss meines Bachelorstudiums, fand am 26. März statt, also streng genommen am 1. Vorlesungstag. Die Einführungsveranstaltung in "Glasbau" habe ich also dadurch verpasst. Die gesamte 1. Woche lies ich nach dem Stress der vergangenen Wochen bereitwillig ausfallen, also ebenso "Spezielle Probleme des Massivbaus", das "Stahlbau Projekt" und "Theorie II. Ordnung". Eventuell wollte ich noch weitere Fächer besuchen, aber das verlief sich in den weiteren Wochen im Sande, zum einen aus zeitlichen Gründen, zum anderen nicht zuletzt wegen den Dozenten.

Der Geburtstermin war am 29. März, und so verbrachten wir die Zeit mit Warten. Die Tage verstrichen jedoch, ohne einen Fortschritt. Die ersten zwei Wochen wollte ich zumindest zuhause bleiben, doch in dieser Warteposition konnte ich mir auch nicht vorstellen, an den Vorlesungen teilzunehmen. Und somit warteten wir gemeinsam daheim...

Warten verbreitet Surealismus. Ungelogen. Du konzentrierst dich nur noch aufs Warten, hoffst darauf, "etwas" möge passieren. Doch durch das Warten auf dieses "etwas" verlierst du die Schwangerschaft und das lang ersehnte Kind aus den Augen. Du lebst in den Tag hinein, planen lohnt sich nicht (es kann schließlich jederzeit losgehen) und die einzigen Fixpunkte in deinem Alltag sind die zwei- bis täglichen Kontrollbesuche bei der Hebamme (bzw. im "regulären" Fall einer Krankenhausgeburt beim Frauenarzt). Alles andere geht unter und du weißt nach einigen Tagen nicht mehr, was eigentlich nach dem Warten sein wird.

Somit verstrich mehr als eine weitere Woche, ich verpasste weitere Vorlesungen und achtete auch nicht wirklich darauf. "Nächste Woche ist alles geschafft, dann kannst du nebenbei Unterlagen von Komillitonen einholen", dachte ich. Aber es geschah nichts.

Ostersamstag siedelten wir unter Tränen in die Klinik über. Der Befund von Yvonne mit ihren massiven Ödemen sah einfach nicht gut aus und kostete so viel Kraft, dass Elke uns davon überzeugte, dass wir auf den natürlicheh und heimischen Flair des Geburtshauses aus Sicherheitsgründen verzichten sollten, zumal es sich nicht abzeichnete, dass innerhalb der 10-Tage-Grenze die Geburt zu erwarten sei (bei Entbindungstermin + 10 Tage tritt das Geburtshaus zurück und überstellt aus Sicherheitsgründen an ein Krankenhaus. Elke wäre, sofern wir in eine hessische Klinik gegangen wären, unsere Beleghebamme geblieben und wäre bei einer Geburt mit uns im Krankenhaus gewesen, sie empfahl uns jedoch die Klinik in der Pfalz, die am ehesten unserer Philosophie entsprach). Nachdem wir morgens noch neue Sticks für mich und ein Wii-Spiel zum "rausschaukeln der Kleinen" gekauft und um 12 den Termin mit Elke hatten standen wir also gegen 15 Uhr wieder in unserer Wohnung und begannen in eilig meine Tasche zu packen, Yvonnes Tasche um einige weitere Klamotten zu füllen, die Wohnung grob zu reinigen und alles essbare einzufrieren und brachen gegen 16.30 Uhr auf.

Die Tage verstrichen, am Mittwoch wurde uns unser Schatz dann doch von den OP-Ärzten geholt und somit auch unser Wunsch kurz nach der Geburt nach hause zu fahren zerstört. Die Entlassung nach einem Kaiserschnitt ist regulär frühestens am 5. Tag, auf eigene Verantwortung nach dem 3. Tag möglich. Eine weitere Woche verstrich.

Mit einem 5 Tage jungen Säugling standen wir dann also in der Wohnung. Hat sie hunger oder volle Windeln? Rülpsen? Furzen? Gar alles gleichzeitig? Aus welchem Grund auch immer, sie fand genug Gründe um zu schreien und als Unwissende gingen wir immer die ganze Liste der "Lösungsmöglichkeiten" durch. Ca. alle 90 - 120 Minuten. Bis wir geringe Steigerungen der Zwischenzeit und unserer Effizienz verzeichnen konnten verging eine weitere Woche, in der ich wenigstens für "SpezProbz MB" das Rissbreiten-Script und die Hausübungen ausdruckte sowie die ersten 80 Seiten Bildpräsentation aus Glasbau.

In der vergangenen Woche begann ich endlich damit, zumindest die ersten 15 Seiten aus Massivbau zu bearbeiten und habe drei Tage für die erste von 5 zugehörigen Hausübungen geschafft. Ich hoffe die anderen gehen schneller, wenn ich erstmal wieder drin bin.

Immer, wenn wir anfangen von einer Regelmäßigkeit in Zeldas Schlafgewohnheiten zu sprechen, stellt sie sich darauf mit einem völlig anderen Rythmus ein. In dieser Woche liegt ihre Schlafenszeit zwischen 21:30 und 23:30 Uhr, ein Nachtmahl gegen 2:30 Uhr und die letzten drei Tage ist sie dann mit B. Eng. Papa zwischen 4 und 5 nach einem weiteren Snack ins Arbeitszimmer gewechselt. Auch jetzt liegt sie hinter mir auf dem Sofa, schwitzt sich in der rosa Polyester-Entchendecke von Oma (in der schon Mama ihre Säuglingszeit verbrachte) halb zugrunde und genießt es, bei jedem kleinen Grunzen oder unruhigem Zappeln die Hand auf die Brust gelegt zu bekommen, während sie darauf wartet, zwischen 7 und 9 wieder über Mama herfallen zu dürfen.

Mein Lernzeitfenster liegt also seit etwa 4 Tagen zwischen 4 und 8 Uhr morgens, wovon die erste Stunde für Kaffee und sinnloses in verbleibender Trance des Halbschlafs untergeht, die zweite Stunde bei vollem Bewustsein versehentlich vertrödelt wird und weitere 30 bis 60 Minuten dazu benötigt werden, bewusst den inneren Schweinehund abzumurksen.

Gar nicht so einfach.

Weitere Reize, neben Kind und Internet, erscheren das natürlich noch erheblich, da ich vor zwei Tagen zu meinem 29. Geburtstag von Yvonne einen Nintendo 3DS geschenkt bekommen habe. Aber nicht irgendeinen, sondern die limitierte Zelda-Edition (ultimativ, ehrlich), dazu noch Starfox (Yay!), in der Wii liegt seit einigen Tagen Pandora's Tower, ich will eigentlich Skyward Sword aus Pflichtschuldigkeit noch zuende spielen, Other M will ich die gleiche Chance gewähren, in meinem Schreibtisch liegt seit Dezember (oder so) Lego Harry Potter (Jahre 5-7) und natürlich lockt auch diverses anderes - beispielsweise will ich mal versuchen auf meinem XP-System Rollercoaster Tycoon zum Laufen zu bekommen, das das ja unter Windows 7 nicht möglich ist (Schweinerei! I KILL YOU!).

Aber nein, hier muss wohl mal etwas unternommen werden. Fernseherverkauf oder so... Strom abmelden... Irgendwie sowas.

Ich ließ mir nämlich berichten, dass in einer Woche die Klausur über Rissbreiten in Massivbau stattfindet. Und Ende Mai / Anfang Juni die Klausur in Theorie II. Ordnung. Die erste Hausübung in Glasbau wird auch in einer Woche fällig und vielleicht möchte Johannes auch gern mal mit unserem Stahlbau Projekt beginnen.



-( 1,5 Stunden Babypause )-



Somit stehe ich also wieder vor dem gleichen Dilemma wie jedes Semester: Aufraffen, wo doch gerade die neugewonnene Freizeitgestaltung so schön und spannend ist. Ab diesem Mal allerdings mit Addon.


So sieht das Stichwort "Studieren mit Kind" am praktischen Beispiel aus. Eine noch bessere Möglichkeit (ja nach Stimmung des Sprösslings) ist jedoch ein Tragetuch. Schön eng vor die eigene Brust gebunden und gehalten schläft die Maus einige Stunden und Papa hat beide Hände frei zum lernen.

Heute bin ich hundemüde. Ich war heute um 4 durchaus gewillt nicht mit ihr aufzustehen, obwohl es so geplant war. Leider machte meiner Faulheit die Liegeposition einen Strich durch die Rechnung und ich konnte meinem Rücken keine weitere Minute im Bett gönnen. Als Fazit bin ich jetzt recht übermüdet, mag mich aber nicht mehr hinlegen, weil ich sonst den halben Tag verschlafe.

Außerdem habe ich heute noch keinen Finger für die Übungen krum gemacht, was ich dringend ändern sollte.

Tagsüber lernen, hm, das passt nicht so recht mit meiner Stimmung zusammen. Nachdem Yvonne aufgestanden ist verspüre ich wenig Lust weiter zu lernen. Es fühlt sich einfach angenehmer an, wenn wir zusammen im selben Raum sind, auch wenn wir nichts zusammen machen. Sitzt sie hinter mir auf der Couch im Arbeitszimmer wirkt das aber irgendwie beklemmend, und im Wohnzimmer mag ich nicht lernen, sich dort auszubreiten ist unpraktisch.

Also auch hier wieder den eigenen Trott überwinden, sonst wird das nichts.

Die nächsten Tage werden auch nicht so recht frei für Lernerei einzureden sein. Nachher kommt eine Komillitonin von Yvonne, morgen muss ich wohl kurz zur Hochschule und mich um meinen HiWi-Arbeitsvertrag kümmern, Dienstag sind wir bei Yvonnes Eltern, Mittwoch gehe ich mal zur Vorlesung und nehme im Anschluss gleich Arbeit mit nach hause (wobei ich noch aus dem Wintersemester eine Hausübung Stahlbau korrigieren muss, das ging irgendwie unter).

Wenn also nicht jetzt, wann denn bitteschön dann?

In diesem Sinne: bis demnächst.


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