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Montag, 28. Mai 2012

Eierlegende Wollmilchsau

Falls jemand nicht gewillt ist über den Blogtitel nachzudenken folgt hier die schnelle Erläuterung: eine eierlegende Wollmilchsau ist ein Tier, was die Eigenschaften aller gängigen Bauernhoftiere kombiniert und somit einem Landwirt erheblich Arbeit erspart. Würde die eierlegende Wollmilchsau auch noch selbstständig um die eigene Achse rotieren wie ein Dönertier würde ich mir selbst eine kleine Tasche davon im Blumenkübel halten.

Der Begriff fiel erst kürzlich wieder im Berufungsausschuss des fbb, als man sagte, man suche einen Professor für den Glasbau, Verbundbau, vielleicht noch Baukonstruktion, etwas Holzbau und unbedingt für Brückenbau. Die Brückenbauer bezeichnen sich selbst als die beherrschenden Meister der Königsdisziplin des Ingenieurbaus... Wie man das auch immer sieht: jemand, der Brücken baut wird nichts anderes mehr tun.

Man steht an der h_da also mal wieder vor der Bredoullie, dass man eine Stelle vergeben darf und von der Hochschulregierung auch bestimmt nicht mehr als diese genehmigt bekommt, man allerdings für einen halbwegs reibungslosen Ablauf und für erheblich mehr Qualität der Lehre mindesten fünf Stellen besetzen müsste.

Doch wie wir alle wissen: Deutschland ist arm, Hessen ist ärmer, und im Endeffekt jammert sowieso jeder Bereich rum, dass er so wichtig sei und stets Gelder gekürzt bekomme, also brauchen wir jetzt nicht anfangen mit "an der Bildung wird gespart".

Ich weiß nicht, ob ich es erzählte: bei einem Smalltalk vor meiner mundlichen Bachelorprüfung unterhielt ich mich mit den Profs, was ich so für Fächer in meinem ersten Mastersemester belegen würde. Ich sagte dann, nachdem ich wusste nicht allein mit dieser Meinung dazustehen, dass man sich ein wenig lieblos abgespeist vorkäme. Ich war der Meinung, dass ich im Masterstudium das Studium quasi nach meinen Vorstellungen und Interessen ausrichten könne und, nachdem im Bachelor immer alles mit Pflichtfächern übersäht war, ich ein wenig Individualismus herrschen lassen könne um mich auf dem Arbeitsmarkt von anderen Absolventen der Hochschule Darmstadt abgrenzen zu können. Je Semester werden allerdings 30 Creditpoints nach Regelstudienzeit gefordert, Angeboten in der Fachrichtung Konstruktiv werden auch passgenau Vorlesungen mit 35 Punkten - man kann gerademal ein Fach (Level B Modul) auslassen, um den Anforderungen noch gerecht zu werden. Level B Module sind allerdings "normale Fächer", d.h. man kann davon durchaus mehrere pro Semester schaffen ohne in Schweiß gebadet in der Klausurwoche festzustellen, dass man seit der zweiten Semesterwoche nicht mehr geschlafen hat. Level A Module sind da schon knackiger, sowohl inhaltlich als auch den Umfang betreffend, da mit Klausuren immer noch ein Stapel an Hausübungen für den Leistungsnachweis einher geht, die sich in den meisten Fällen echt gewaschen haben.

Recht dünn, wenn einen die angebotenen Module nun nicht zu zitternden Euphoriestößen bewegen. Und selbst, wenn man die Zeit nicht verschenken möchte und sich un anderen Vertiefungsrichtungen umsieht, um wenigstens einen Teil der CP anderswo zu holen (wobei man natürlich nur den "Konstruktiven" Master bekommt, wenn man einen Großteil der CP auch konstruktiv gemacht hat - ansonsten wirds "nur" ein allgemeiner Master), ist auch dort der Blick in den Terminplan eher ernüchternd. Entweder, bei vielen Fächern steht eine "2" im Namen und baut auf einer anderen Vorlesung auf, die man weder besucht hat, noch sie sich anrechnen lassen könnte, wenn man sie jetzt besuchen und absolvieren würde (was ja durchaus auch mit Zeit verbunden wäre, die man nicht zwingend hat). Zweite Möglichkeit: sie haben keine "2" im Namen, gehen aber doch tiefer in die Materie als Grundlagenfächer und setzen auf diesem Wege Wissen voraus, das man nicht hat und nicht ohne weiteres nachholen kann/will. Drittens: man darf nicht vergessen, dass die Vorlesungen aller Zweige parallel stattfinden und man die eine Vorlesung mit der anderen aufwiegen müsste. Und für einen umfassenden Abschluss nun viertens: es gibt so viel Schrott in anderen Fachrichtungen, die mich ja mal so rein gar nicht interessieren...

Gut, fassen wir inhaltlich die letzten beiden Absätze zusammen: es wird wirklich wenig an Fächern angeboten, wenn man das Studium nach eigenen Interessen ausrichten will und dabei bedenkt, dass man heutzutage (sofern man auf Fördermittel zurückgreift) arg unter Zeitdruck im Studium steht. Antwort von Prof. Pauli:

"Würden Sie das nochmal wiederholen, und zwar morgen, wenn wir die Sitzung haben und wieder versuchen müssen der Obrigkeit genau das wieder zu erklären? Wenn Sie noch Komillitonen aus anderen Vertieferrichtungen haben, die das genauso sehen, bringen Sie die ruhig mit."

Hm, tja, sorry, ich erwartete ein Kind und wollte am liebsten nie wieder aus dem Haus ;) Aber wenigstens eine Stelle durfte nun neu vergeben werden, auch wenn der Berufungsprozess nun erstmal mindestens ein Jahr dauert, weil sich die Herren Professoren nicht für einen Anzeigentext entscheiden konnten und auch danach alles erst einmal seine Wege gehen muss.

Wenn die jährlich drei Protestmärsche hier in Darmstadt doch nur was bringen würden...

Wie dem auch sei: die eierlegende Wollmilchsau lief mir auch einige Tage später über den Weg, nämlich als mich meine Nachbarn darauf hinwiesen, dass in der Zeitung ein Stellenangebot bei der Stadt für einen konstruktiven Ingenieur zu finden sei. Da es wohl kaum um einen Nebenjob ging (und seltsamerweise verstanden die Herrschaften nicht, wieso ich keine Vollzeitstelle annehmen und nebenher weiter studieren wolle... Oo) war ich zurückhaltend, sah mir den Ausschreibungstext im Internet dann doch einmal an.

Bei der Stadt Ober-Ramstadt ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt folgende unbefristete Stelle
zu besetzen:
Diplom-Ingenieur/in (FH) / Bachelor
Studienrichtung Bauingenieurwesen
Bereich konstruktiver Ingenieurbau

 
Fachliche Anforderungen:
 

 Planung, Ausschreibung, Vergabe, Durchführung und Abrechnung von städtischen
Bauvorhaben des Hoch- und Ingenieurbaues
 

 Überwachung und Koordination von Architekten- und Ingenieurleistungen
 

 Erfahrungen in Bauwerks- und Betonsanierungen
 

 Erfahrungen in baubegleitender Qualitätssicherung
 

 Gute Kenntnisse in der Kostenermittlung und des Controllings
 

 Verwaltungstätigkeiten im Hoch- und Tiefbau, allgemeine Verwaltungsaufgaben
 

Persönliche Anforderungen:
 

 Erfolgreicher Abschluss eines Hochschul- oder Fachhochschulstudiums im Bereich
Bauingenieurwesen,
 

 Fundierte Kenntnisse im Bau-, Planungs- und Verwaltungsrecht sowie der VOB/VOL und
HOAI,
 

 Hohes Maß an Engagement, Flexibilität, Teamfähigkeit, Führungskompetenz und
Belastbarkeit sowie entscheidungssicherem und kooperativem Arbeitsstil
 

 Mehrjährige Berufserfahrung in der öffentlichen Verwaltung sind vorteilhaft
 

 Erfahrung mit moderner Informationstechnik und bauspezifischer Software
 

 Führerschein der Klasse B
 

Die Entlohnung erfolgt max. nach Entgeltgruppe 10 des Tarifvertrages für den öffentlichen
Dienst (TVöD).
Bei gleicher Eignung werden schwerbehinderte oder gleichgestellte Bewerberinnen und
Bewerber nach SGB IX bevorzugt berücksichtigt.
 

Sollten wir Ihr Interesse geweckt haben, dann erwarten wir Ihre vollständigen
Bewerbungsunterlagen, die Sie bitte bis spätestens 15. Juni 2012 an nachstehende
Anschrift senden:
Magistrat der Stadt Ober-Ramstadt
Personalmanagement
Kennwort: Diplom-Ingenieur/in (FH) / Bachelor
Darmstädter Straße 29
64372 Ober-Ramstadt
 

Nähere Informationen zur Stelle erhalten Sie von Herrn Beyer, Telefon: 06154 702-50.
 

Bitte senden Sie uns Ihre Bewerbung nur in Kopie und ohne Bewerbungsmappe oder
Klarsichthüllen zu. Die Rücksendung von Bewerbungsunterlagen erfolgt nur bei Vorlage
eines frankierten Rückumschlages.


"Fundierte Kenntnisse der VOB", am Arsch. Jedes Jahr wird Baubetrieb 3, Pflichtfach für Bachelorstudenten der Vertieferrichtung Baubetrieb, immer parallel mit den Pflichtfächern der K-Vertiefer angeboten. "Ausschreibung, Vergabe, Abrechnung" ist definitiv auch nichts, was den konstruktiven Bauing nachts feuchte Träume haben lässt, zumal sowas einfach nicht Teil unseres Studiums ist. "Erfahrungen in Bauwerks- und Betonsanierungen" sind immer gut, aber wussten die, dass Betonsanierung ein eigener Schein ist, der (extern der Hochschule nachgeholt) mehrere tausend Euro kostet?

Und ob das Gehalt auch an all diese Anforderungen angepasst wird? Wenn man das tatsächlich alles beherrscht erscheint mir ein Bachelor-Einstiegsgehalt mit 3,5 k€ ein stückweit wenig.

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