Seiten

Donnerstag, 20. September 2012

Nicht nachmachen!


Dank meinem Bruder und meiner Schwägerin (schön, dass ihr dagewesen seid) traf ich auf diese Kuriosität. Wer hätte gedacht, dass sich das Zahlen der GEZ (bzw. das Befreien von den Gebühren mit dem triftigen Grund, ein armer Student zu sein), tatsächlich mal bezahlt machen würde?

Es geht um die Sendung "Nicht nachmachen!" mit Wigald Boning und Bernhard Hoecker (man verzeihe mir die fehlenden Doppelpunkte über dem e). Ziel des Mehrteilers ist es, ein Haus nach allen Regeln der Kunst zu zerstören und dabei möglichst viel Spaß zu haben und interessante, aber relativ unnötige Fragen zu beantworten.

Neben diversen seltsamen Zerstörungstheorien will ich an dieser Stelle natürlich den Bezug zum Bauingenieurwesen herstellen.

Stichwort: Massivbau (ab Minute 19:07).

Zumindest vermute ich das, aufgrund des Alters des Hauses könnte es sich auch um eine Frage des Holz- und Trockenbaus handeln. Das besagte "größere Bauteil", welches "verlustich gegangen ist", sieht doch nach irgendetwas steinigem aus.

Fragestellung: was passiert, wenn man sein Badezimmer flutet?

Bezogen auf das Bauingenieurwesen: was kann eine (vermutlich) Mauerwerkswand an horizontaler und eine Stahlbetondecke auf vertikale Belastung aushalten?

Ich möchte hier mit wenigen Details nerven, werde das aber erst nach dem Video tun, um nicht den Spaß zu rauben. Dem nicht-Interessierten schlage ich einfach vor, sich das Video anzusehen und sich die Frage optisch beantworten zu lassen.



Die Fensterbank liegt vermutlich bei ca. 1,10 m Höhe.

Zuerst knallt es die Wand raus. Das liegt daran, dass eine Wand ein schlankes Bauteil darstellt, was zwar auch für beispielsweise Windbelastung ausgelegt ist, in erster Linie aber als Druckglied bemessen wird.

Zusätzlich kommt erschwerend hinzu, dass Mauerwerk seine schwächste Stelle in den Mörtelfugen hat. Der Verbund zwischen Ziegeln und Mörtel ist nicht sonderlich schubfest, soll heißen, wenn von der Seite dagegen gedrückt wird ist es der Mauer reichlich egal, ob der Stein mit mehreren Tonnen belastet werden kann, die geringe Verzahnung zwischen Mörtel und Ziegel stellt einfach für Horizontalbelastung keine ausreichende Haltbarkeit dar um (wie hier am Wandfuß) eine Seitenlast von vermutlich 1,1 m * 1000 kg/m³ * 9,81 m/s² = 11 Tonnen pro laufendem Meter Wand auszuhalten.

Dass die Wand aber nicht unten wegbricht, sondern relativ weit oben, wo der Wasserdruck doch geringer ist (Höhenabhängig nach obiger Formel), liegt an der Biegebelastung. Die Seite, in die sich die Wand durchbiegt, bekommt Zugbelastungen ab. Der Verbund zwischen Mörtel und Ziegel ist allerdings nicht auf Zug belastbar. In dem Moment, in dem die horizontale Belastung zu groß wird und die Druckwirkung in vertikaler Richtung aus der Dachauflast aufhebt, reißt die Fuge also auf (klaffende Fuge) und die Wand verliert immer mehr ihrer sowieso schon geringen Schubfestigkeit.

Warum sie nicht gänzlich einfach rausgefeuert wird liegt vermutlich an den Faktoren der Verkeilung der Wand im restlichen Tragwerk und dem Ringbalken. Um die horizontalen Lasten des Daches abtragen zu können wird auf die Mauer ein "Band" aus Stahlbeton gelegt, welches durch den Stahl in der Lage ist, die Zugbelastungen zu halten, wozu die Mauerwerkswand nicht in der Lage wäre.

Bei der Decke beziehe ich mich einfach mal auf die heutzutage gültigen Lastannahmen, da ich nicht weiß, wie alt das Haus ist und wie zu der Zeit die Bemessungslasten ausgesehen haben.

Ein Blick in die Bautabellen verrät mir: als ständige Belastung (also Möbel, Installationen, etc.) sind in Wohngebäuden 2,0 kN/m² anzusetzen, als Verkehrslast (also mal vorhandene, mal abwesende Lasten wie z.B. alles andere) 1,0 kN/m². Mit den Sicherheitsbeiwerten macht das eine Bemessungslast (also die Last, für die die Decke ausgelegt ist) von 1,35 * 2,0 kN/m² + 1,5 * 1,0 kN/m² = 420 kg je Quadratmeter.

Betrachtet man nun den Wasserstand von ca. 1,1 m ergibt sich eine tatsächlich vorhandene Last (allein aus dem Wasser, Installationen etc. nicht mitgerechnet) von 1000 kg/m³ * 1,1 m = 1100 kg je Quadratmeter.

Ich weiß nicht... Muss ich noch mehr sagen? ;)

Ich könnte vielleicht noch erwähnen, dass die Decke natürlich an den Kanten abreißt und runterklatscht, weil hier die Belastung am größten ist, aber das sollte relativ logisch sein, schließlich geht alles Gewicht aus der Mitte des Raumes irgendwo Richtung Wand, wo die Decke gestützt wird.

Dass die Decke scheinbar zuerst an der Außenwand reißt führe ich auf den Umstand zurück, dass die Decke an den anderen Seiten zur Hausmitte hin durchgängig unter der Wand in die nächsten Räume verläuft. An der Außenwand liegt sie vermutlich 10 cm auf den Wänden auf. Die Steine der stützenden Wand geben irgendwann nach und brechen (oder drehen sich weg wegen der Randverdreheung der gebogenen Deckenplatte). Selbst bei nur kleinen Lageänderungen der Stützung ist die Lastverteilung nun ganz anders in der Decke. Nimmt man von einer allseits gelagerten Platte eine Seite der Lagerung weg muss die Last, die vorher an Seite 4 abgetragen wurde, in die benachbarten Auflager rein. Das wäre in diesem Fall die Wandseite mit der Badewanne die (wie anschaulich gezeigt) keine Lust auf diese Überforderung hat und abreißt.

Dass siech das nun immer weiter fortsetzt bis irgendwann der ganze Kladderadatsch einige Stockwerke tiefer angelangt sollte klar sein.

Über die Theorien und Forschungen von Czerny und die Berechnungen von Wölbungen in der Platte, also sogar abhebende Ecken bei zu großer Belastung (legt mal einen Notizzettel auf eine Tuppadose und drückt in der Mitte mit dem Finger drauf), lasse ich mich einfach mal nicht aus. So bleibt es anschaulich und (vermutlich) trotzdem richtig.

Recht herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen