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Mittwoch, 20. Juni 2012

Im kleinen Kreise, von Zeit und Raum

Einfach mal so, ein kleines Bildchen von unseren erstklassig ausgestatteten Vorlesungsräumen.


Yay!

Ansonsten führten wir vor zwei Tagen eine Diskussion mit Prof. Rudolf bezüglich dem Arbeitsaufwand seines Faches. Im Endeffekt stimmten wir mit ihm eine Verlängerung der Abgabefrist aller Hausübungen um einen Monat bis zum 31. Juli ab, was zwar kurzfristig ein wenig Druck heraus nimmt, in seiner Gesamtheit bezüglich der anderen Fächer aber auch nicht so recht für Entspannung sorgt.

Eine Rechnung nach ECTS zeigt: SpezProbz MB hat einen wöchentlichen Arbeitsaufwand von rund 15 Stunden. Davon sind 4 Stunden Präsenzzeit, bleiben also 11 Stunden. Das ist definitiv unmenschlich, denn geht man nun einmal von der Regelstudienzeit aus mach man 30 Punkte je Semester. Jeder Punkt stellt einen Arbeitsaufwand von 30 Stunden dar. Nimmt man nun das halbe Jahr mit 26 Wochen ergibt sich eine Arbeitszeit von rund 35 Stunden pro Woche. Das klingt ja verschmerzbar, oder?

Wie lang nun ein Semester netto tatsächlich ist, lässt sich schwer erfassen. Im Sommersemester liegen immer Ostern, Pfingsten, Himmelfahrt, der 1. Mai und noch ein oder zwei weitere Feiertage, die man in Norddeutschland nicht einmal kennt - ergo ist die Zeit wesentlich knapper bemessen und es kommt in einigen Fächern trotz der durchschnittlich 15 Vorlesungswochen je Semester nur zu etwa 10 - 12. Wie dem aber auch sei: Nimmt man nun das Semester mit 15 Wochen an ergibt sich ein wöchentlicher Arbeitsaufwand von 60 Stunden für das Studium, Präsenzzeit und Lernfreizeit zusammen genommen.

Das geht in Richtung Faktor 2 zu dem System des nach ECTS berechneten Aufwandes. Und damit ist es ja auch noch nicht getan. Man gehe in meine ersten Semester zurück, mit ca. Montags um 8 bis Freitags um 2 Vorlesung. Macht irgendwas um die 30 bis 38 Stunden Präsenzzeit. Mit nachbereiten und gelegentlich mal vorbereiten der Vorlesungen etc. kommt das mit den 60 Stunden schon beinahe hin. Dazu rechnen wir mal noch etwa 1,3 Stunden An- sowie Abfahrt ohne Wartezeiten jeden Tag, macht nochmal 13 Stunden dazu. Hausübungen haben durchaus mehr Aufwand gehabt... Sagen wir mal ca. eine Hausübung pro Woche, je nach Fach unterschiedlich, also vermutlich mal so 8 Stunden im Durchschnitt.

Insgesamt sind wir dann schon bei 81 Stunden. Jeden Tag dazu rechnen wir eine Stunde vom Aufstehen über Duschen bis zur Abreise, macht 86 Stunden. Jetzt gehen wir mal davon aus, dass der typische Student kein Auto hat, dementsprechend auch nicht einmal pro Woche oder gar einmal in zwei Wochen den Großeinkauf erledigen kann. Dafür gönnen wir ihm aber eine Wohnsituation in der Nähe eines Lebensmittelhändlers, also etwa 15 Minuten Weg. Der Student geht 2 Mal je Woche einkaufen und braucht dabei etwa jeweils 90 Minuten bis er alles zusammen hat. Insgesamt gelangen wir dann schon bei 90 Stunden an.

Essen kochen, gut, das geht beim Studenten ja schnell, gibt ja eh immer nur Nudeln oder Pizza. Aber gehen wir auch hier einmal von 25 Minuten Zubereitungszeit täglich aus, dann noch 20 Minuten Verzehr (äußerst ungesund so zu schlingen!), dazu rechnen wir abends noch einmal 30 Minuten für ein paar Scheiben Brot (das Frühstück haben wir ja bereits in einer pauschalen Stunde verwurstet), macht also täglich 75 Minuten, je Woche also 8,75 Stunden, runden wir mal gutmütig auf 9 auf und legen noch 2 mal 30 Minuten für Frühstück am Wochenende drauf. Insgesamt sind wir dann bei 100 Stunden.

Hey, die Bahn hat Verspätung, der Prof hat überzogen, ich hab mich festgequatscht, die Bon-Rolle an der Kasse war mal wieder alle, ich hab noch Scripte aus der Druckerei geholt, ich musste auch täglich mehrfach auf Toilette und schon sind u. U. wieder weitere 10 Stunden pro Woche weg.

Beenden wir das mal hier.

Sofern ich mich nicht verrechnet habe bleiben dem durchschnittlichen Bachelorstudenten in einem "richtigen" Studiengang bei einem Schlaf von 6 Stunden je Nacht tatsächlich 111 Minuten und 25,7 Sekunden Freizeit je Tag. Machen wir eine Runde Zahl draus: das sind 2 Stunden.

Ist das viel? Oder eher nicht? Ist das die Zeit, in der die Profs von uns erwarten "über den Tellerrand zu schauen" und uns noch freiwillig weiterzubilden? Oder uns in Programme einzuarbeiten? Oder aber wir versuchen, wie es von uns erwartet wird, gut gebildete und weltbewusste Ingenieure zu sein und informieren uns auch mal über das Tagesgeschehen: Zeitung lesen = -1 h/d.

Aber den meisten Menschen reichen 6 Stunden Schlaf nicht aus.

Und es soll auch Studenten ohne reiche Eltern geben, die darauf angewiesen sind, sich die Miete und das Essen auf dem Tisch durch Arbeit einzuheimsen.

Klar, an manchen Ecken mag diese Rechnung etwas übertrieben erscheinen. Insgesamt denke ich aber, dass es in diese Richtung tendiert. Ich meine, ich hab es ja selbst erlebt. Es gab im 3. und 4. Semester durchaus aufeinanderfolgende Wochen, die ausschließlich aus heimkommen, lernen, kurz wegnicken und wieder los zur Vorlesung bestanden. Die oben angesetzte Durchschnittszeit von 8 Stunden je Woche für Hausübungen kommt nämlich nur hin, wenn man guter Durchschnitt ist und einem die Übungen kaum bis keine Probleme bereiten, wozu ich nicht immer gehörte.

Aber da pfeift der Hund drauf.

Natürlich, Studenten haben ja auch Semesterferien, die sollen sich mal nicht so bescheren. Gut... In obiger Rechnung sind aber noch nicht die Klausuren und der Lernaufwand dafür enthalten. Und mit einem kompletten Tag kommt man da nicht weit! Und da bei uns vor und nach den Ferien Klausuren geschrieben werden sind die Ferien auch nicht so lang, wie man denken mag.

Was auch nicht zu vergessen ist: die unterschiedliche Verteilung der Lernzeit. Am Anfang des Semesters ist noch wenig zu tun, bis plötzlich nach ein paar Wochen tatsächlich mal genug Stoff behandelt wurde, dass man erstmal anfangen kann zu lernen. Oder plötzlich ist mal eine Woche, wo zwei Hausübungen gleichzeitig fällig werden.

Problematisch an den ECTS erscheint mir, dass es auf ein halbes Jahr, also 26 Wochen, gerechnet wird, obwohl vielleicht nur 15 vorhanden sind. Lernzeit in den Ferien mal ausgenommen. Insgesamt hinkt das System meiner Meinung nach irgendwo. Mir ist klar, dass man nicht sinnlos BAföG einstreichen sollte und endlos lang auf Kosten der Gesellschaft studieren darf. Aber Unterstützung nur während der Reglstudienzeit... das kann doch nicht recht klappen. Sicher, es gibt viele Intelligenzbestien die auch das hinbekommen. Aber was ist denn mit denen, die sich Mühe geben aber es nicht so recht klappt? Sind sie deswegen weniger Wert?

Gut, ähm, lassen wir das. Irgendwo fühle ich mich ja immer ungerecht behandelt ^^ Ich meine, ich verstehe nicht, wieso wir auf der einen Seite zu solch einem Zeitdruck verpflichtet sind, auf der anderen Seite aber gemeckert wird, dass deutsche Ingenieure langsam aber sicher an Kompetenz einbüßen. Ist das nicht rein logisch?

Ich meine, unsere Profs haben damals gelegentlich mal nur 2 bis 4 Fächer je Woche gemacht. Die hatten noch Zeit, sich in was reinzuhängen und sich zu spezialisieren. Wenn man das heute wollen würde... undenkbar.

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