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Freitag, 14. Dezember 2012

Quadratur des Kreises

Im Master Konstruktiv gibt es ein Fach namens "Baudynamik" (Level A). Das beinhaltet bis zu einem gewissen Teil ein Paradoxon, denn der Tragwerksplaner baut im Normalfall Tragwerke, die ortsgebunden sind und sich nur in seltensten Fällen auf irgendeine Art planmäßig (also gewollt) bewegen (wenn man jetzt mal bewegliche Brücken oder ortsveränderliche Bauwerke wie... Schießbuden raus nimmt).

Unplanmäßig heißt das aber: ein Hochhaus wird vom Wind gepackt und kann dann auch mal hin und her schwanken. Eine Zuschauertribühne wird sicherlich auch mal in Schwingung geraten, wenn Hannover 96 mal wieder versehentlich gewinnt. Nicht zu vergessen sei aber auch, dass ich mich hier im Bereich des Rheingrabens befinde, somit in Darmstadt auch erdbebensicher gebaut werden muss (was allerdings letztlich eine eigene Veranstaltung mit dem Spitznamen "Erdbeerensicheres Bauen" im Sommersemester nach sich zieht).

Nun packen wir dazu bei Prof. Detlef mal wieder alles aus, was wir seit Mathe 1 und 2 im 1. und 2. Semester wieder erfolgreich verdrängt haben. Stichworte sind hier "Differentialgleichungen" und "Integration".

Die Hausübungen haben den Vorteil, dass sie immer recht analog zu den Vorlesungsbeispielen funktionieren und man eigentlich nur ein wenig über veränderte Randbedingungen nachdenken muss, dann der Hase aber im gleichen Schema hoppelt, wie bereits in der Lehrveranstaltung abgefrühstückt.

So integrierten wir nun kürzlich das Massenträgheitsmoment eines Rechtecks im Schwerpunkt. Soll heißen: wie "stemmt" sich das Rechteck gegen eine Beschleunigung, wenn es um seinen Schwerpunkt gedreht wird.

Als Hausübung dazu: Massenträgheitsmoment einer Kreisscheibe um den Schwerpunkt ermitteln, Massenträgheitsmoment eines Rechtecks um seinen Eckpunkt ermitteln.

Nach einer Woche grassierten schon diverse Lösungen. 10 Leute im Kurs, 9 Lösungen quasi ;)

Ich für meinen Teil hatte noch keine Lösung, da ich mich an einer Stelle aufgehängt hatte: die Literatur spricht bei der Kreisscheibe von 1/2 * m * r², also Masse * Radius² / 2. Ich integrierte immer nur das Doppelte. Also hab ich einfach mal dumme Fragen in der Pause in den Raum gestellt und einige von uns diskutierten fleißig mit (die 1er-Kandidaten natürlich nicht... Ich hasse Konkurenzdenken!).

Letzten Endes stellte sich heraus, dass niemand meinen Lösungsansatz teilte, sondern alle irgendwie vergessen hatten, dass im Kreis ja durchaus Ecken gegenüber dem Rechteck fehlen.

Beispiel: Beim Rechteck hat man ein Doppelintegral und integriert (um den Schwerpunkt) von -a/2 bis +a/2 in der einen, von -b/2 bis +b/2 in der anderen Richtung, um die gesamte Fläche abzuwandern. Ähnlich hielten es meine Kommilitonen, die von -r bis +r in der einen und von -r bis +r integrierten.

Nachdem ich dann das Problem mit den Ecken schilderte und an der Tafel gerade wild das Doppelintegral mit zugehöriger Zeichnung hingeschmiert hatte, integriert von 0 bis r sowie von 0 bis 2 Pi (um eben den vollen Kreisumfang zu erfassen), kamm der Prof rein, sah an die Tafel und meinte:

"Ich bin beeindruckt."

Das widerum beeindruckte mich.

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